Als Mütter von kleinen Kindern müssen wir jeden Tag 1.000 Dinge erledigen. Im Finanzcoaching höre ich immer wieder davon. Aber was heißt müssen und wer priorisiert eigentlich unsere Aufgaben? Das sind wohl am Ende nur wir selbst. Mit einer Prise Achtsamkeit können wir das Dilemma auflösen. Liegt es etwa nicht an unserer endlosen Todo-Liste, sondern auch an dem wenigen Vertrauen in uns?
„Mein Vater hat seine Wohnung letztes Jahr verkauft und einen Teil des Geldes meinem Bruder und mir geschenkt. Ich habe es noch immer nicht geschafft, den Verkaufserlös anzulegen. Immer kommt was dazwischen.“ sagte mein Mentee Selina zu mir. Sie hat das Finanzcoaching gebucht, weil sie einfach nicht in die Pötte kommt. Die Mutter eines kleinen Mädchens ist berufstätig und hat natürlich viel um die Ohren. Vor allem die Zeit um Corona war turbulent mit der Kleinen im Home Office. So geht schnell ein Jahr ins Land. Oder?
„Du hast also viel zu tun. Wie beginnst du denn deinen Tag ganz konkret?“ fragte ich. Dabei wollte ich ihre Prioritäten herausfinden. Die Aufgaben, die wir zuerst erledigen, haben die höchste Priorität in unseren Augen.
„Also, ich stehe auf, dusche mich und bereite das Frühstück vor. Dann wecke ich meine Tochter. Mein Mann ist schon vor mir aufgestanden und ist auf dem Weg zur Arbeit. Er ist IT-Techniker, er kann nicht aus dem Home Office arbeiten und muss seine Großkunden besuchen. Nach dem Frühstück bringe ich die Kleine in die Kita und dann räume ich zu Hause auf. Sauge den Boden, reinige das Geschirr, wasche die Wäsche. Solche Dinge. Dann setzte ich mich an meinen Laptop und arbeite bis 11:30 Uhr. In der Zeit bin ich am produktivsten.“
Wer priorisiert deine Aufgaben?
„Für dich hat also ein ordentlicher Haushalt die höchste Priorität. Mit deiner Tochter selbstverständlich.“ folgerte ich. Selina war verwirrt. „Ja, der Haushalt ist mir schon wichtig. Aber doch nicht wichtiger als alles andere!“
„Doch, doch“, meinte ich, „so scheint es zumindest. Du erledigst ihn als allererstes am Morgen.“
„Nun, so habe ich es noch nicht gesehen. Aber jedes Mal, wenn ich den Laptop einschalte, fällt mir auf, wie unordentlich alles ist. Das muss ich zuerst erledigen„.
„MUSS ist ein interessantes Wort in dem Zusammenhang. Wer schreibt dir das vor?“ fragte ich.
„Na ich. Das ist mein Anspruch.“ antwortete Selina. Das war schon die erste, wichtige Erkenntnis. Diesen Eindruck hatte ich sofort. Es war also nicht ein ungeschriebenes Gesetz für Mütter, sich um den Haushalt zu kümmern. Es war sie selbst, die sich aus freien Stücken dazu entschied.
Mein Geld oder dein Geld?
„Warum möchtest du denn dein Geld investieren?“ hakte ich nach. Selina erklärte: „Wir wohnen zu dritt in einer Mietwohnung. In Hamburg sind die Immobilienpreise mittlerweile zu hoch für uns. Es kommt also nicht infrage, von dem Geld meines Vaters eine Wohnung zu kaufen. Aber ich möchte für mein Alter vorsorgen. Mit ETFs klappt das gut und ich habe das Prinzip dahinter verstanden. Ich habe Betriebswirtschaft studiert. Mir ist bewusst, dass es bei Unternehmen nicht immer nur bergauf gehen kann.“
„Du hast gerade gesagt: vom Geld deines Vaters. Hat er es dir und deinem Bruder nicht geschenkt?„, wendete ich ein.
„Ja, das stimmt. Irgendwie habe ich aber trotzdem das Gefühl, dass es ihm gehört. Dann denke ich mir: Was, wenn alles weg ist? Schließlich hat er sehr hart dafür gearbeitet.“
Warum willst du ihn überzeugen?
„Dein Vater scheint eine große Wirkung auf dich zu haben“, stellte ich fest. Selina nickte: „Ja. Er ist in gewisser Weise mein Vorbild. Mein Vater hat sich in Deutschland alles aufgebaut. Er hat viel gearbeitet, sich für das Geld eine Wohnung gekauft und jeden Monat eisern gespart. Ich möchte ihn jetzt nicht enttäuschen.“
„Hat denn dein Vater jemals investiert an der Börse?“
Selina winkte ab. „Nein, davon hat er immer die Hände gelassen. Das war ihm zu viel Hokuspokus. Mein Vater glaubte nicht daran, dass Geld arbeiten kann. Er war davon überzeugt, dass Geld nur durch harte Arbeit verdient werden kann.“
„Und ist das auch deine Meinung?“, erwiderte ich.
„Nein, ich denke, dass ich Teile eines Unternehmens kaufe. Dann ist das nicht mehr Papiergeld, das am Konto geparkt wird, sondern Teil der Wirtschaft. So wird es langfristig an Wert gewinnen. Aber das würde mein Vater nicht verstehen.“
„Scheint fast so zu sein, also willst du deinen Vater noch überzeugen. Dabei hat er dir doch schon sein hart erarbeitetes Geld geschenkt. Ein Beweis, dass er dir vertraut.“
Vertraust du dir auch schon?
Selina sah mich etwas verwundert an. „Vertrauen in mich? So habe ich das noch nicht gesehen. Ich hatte eher den Eindruck, dass er nicht daran glaubt, dass Frauen sich in der Wirtschaft behaupten können. Mein Studium fand er auch schon ziemlich suspekt. Er verstand die Welt nicht mehr, warum ich Betriebswirtschaft studieren wollte und mein Bruder Pädagogik.“
„Aber er hat es akzeptiert?“, fragte ich. „Ja, das hat er.“
An diesem Tag haben wir unser Finanzcoaching beendet. Selina schien mit dem Resultat zufrieden und war überzeugt, nicht noch eine weitere Coachingsession zu benötigen. Das freute mich sehr.
Hat Selina das Depot eröffnet?
Ein paar Wochen später fragte ich Selina aus Neugier, ob sie nun ein Depot eröffnet hat. Was ich eigentlich wissen wollte: Kann sie es nicht nur verstehen, sondern auch fühlen, dass es ihr Geld ist?
Selina hatte natürlich wieder viel um die Ohren. Sie freute sich aber über den kurzen Austausch. „Klar habe ich jetzt ein Depot, die Eröffnung dauert ja wirklich nur eine Stunde oder so. Die Hälfte meines Geldes habe ich auch schon investiert! Mit dem Rest warte ich noch etwas zu. Ich habe aber schon einen Plan, bis wann ich vollständig investiert sein werde.“
„Die Hälfte deines Geldes also.“ Das war meiner Meinung nach für Selina der wichtigste Punkt. Ich gratulierte ihr aus vollem Herzen.
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